Ein Streifzug durch die aktuelle VwGH-Judikatur zeigt immer wieder interessante und für die betriebliche Praxis informative Sachverhalte auf, die neben einer Klarstellung auch für bislang nicht bedachte Fragenstellungen von Nutzen sind.
- Besteuerung der im Scheidungsvergleich festgelegten Rente
Zwei Eheleute hatten anlässlich ihrer einvernehmlichen Ehescheidung eine Vereinbarung über den Verzicht auf Unterhalt und die Aufteilung des Vermögens getroffen. Ein seinerzeit als Wertanlage angeschafftes, im gemeinsamen Eigentum stehendes Miethaus sollte in das Alleineigentum der Frau übergehen. Die Frau verpflichtet sich im Gegenzug zu einer monatlichen Leibrente an den Mann. Aufteilungen im Scheidungsvergleich gelten normalerweise als unentgeltlicher Vorgang. Da aber die Rente exakt so vereinbart wurde, dass der Kapitalwert der Rente dem Verkehrswert des übertragenen Hälfteanteils am Miethaus entsprach, war steuerlich von einer entgeltlichen Übertragung der Liegenschaftshälfte gegen Kaufpreisrente auszugehen. Das bedeutete ab dem Jahr, in welchem die Rentenzahlungen den kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung überstiegen, folgendes: Die Frau kann die Rentenzahlungen einkommensteuerlich vollständig als Sonderausgaben absetzen, während der Mann den Renteneingang versteuern muss (sobald die Renten seine Anschaffungskosten für die Miethaushälfte übersteigen).
- Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf Zinsen bei der österreichischen Privatstiftung
Erzielt eine österreichische Privatstiftung im Ausland Zinserträge, die grundsätzlich bei der Privatstiftung der österreichischen Zwischenbesteuerung unterliegen, und behält der ausländische Staat von diesen Zinserträgen aufgrund eines DBA Quellensteuer ein, so kann die Privatstiftung diese Quellensteuern in Österreich nur anrechnen, soweit in Österreich im betreffenden Veranlagungsjahr tatsächlich Zwischensteuer oder normale Körperschaftsteuer anfällt.
- Gebührenpflicht bei ungewisser Höhe des Entgelts
Mit einem Zessionsvertrag wurde eine ungewisse Forderung abgetreten. Dabei wurde vereinbart, dass der zu zahlende Abtretungspreis davon abhängt, mit welchem Betrag die Forderung in Zukunft eingebracht werden kann. Der Abtretungspreis wurde aber mit einem Höchstbetrag begrenzt. Ein solcher Abtretungsvertrag unterliegt der vom Abtretungspreis abhängigen Gebühr nach dem Gebührengesetz. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes darf die Gebühr aber nicht vom höchstmöglichen Entgelt (hier: der vereinbarte Höchstbetrag) bemessen werden, vielmehr ist die wahrscheinliche Höhe des künftigen Entgelts zu schätzen (ähnlich bei einem umsatzabhängigen Pachtentgelt). Allenfalls kann das Finanzamt auch zunächst einen bloß vorläufigen Gebührenbescheid erlassen.
- Grunderwerbsteuer bei Beendigung einer OG/KG durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters
Die Ehefrau und der Ehemann waren die einzigen Gesellschafter einer grundstückhaltenden OG. Der Ehemann schenkte seinen OG-Anteil der Ehefrau, wodurch die Gesellschaft erlosch und die Ehefrau zur Alleineigentümerin des Grundstücks wurde. Für die Berechnung der GrESt ist entscheidend: Es liegt hier kein begünstigter Grundstücks-Erwerb vom anderen Ehegatten vor. Vielmehr hat die Ehefrau das Grundstück direkt von der (untergehenden) Gesellschaft erhalten. Die Grunderwerbsteuer beträgt daher 3,5% der Gegenleistung, zumindest 3,5% des gemeinen Wertes des gesamten Grundstücks.
- Zeitpunkt des Einlangens schriftlicher Eingaben an das Finanzamt
Wenn ein Steuerpflichtiger eine schriftliche Eingabe an das Finanzamt schickt, gelangt diese nicht unmittelbar in das Veranlagungsreferat. Die Eingabe wird nämlich finanzintern an eine zentrale Stelle in Wien geleitet, dort eingescannt (Scanning-Straße) und erst anschließend (einige Tage später) elektronisch an das zuständige Team der betrieblichen Veranlagung weitergeleitet. Der VwGH hat entschieden, dass die Eingabe erst mit dem Zeitpunkt des elektronischen Einlangens beim zuständigen Team der betrieblichen Veranlagung als dem Finanzamt „bekannt“ anzusehen ist. Hat das Finanzamt etwa – aufgrund der über FinanzOnline eingereichten Steuererklärung – einen Bescheid bereits einen Tag vor dem elektronischen Einlangen der gescannten Eingabe beim Team der betrieblichen Veranlagung erlassen, dann kann die in der Eingabe enthaltene Information eine neu hervorgekommene Tatsache sein, die das Finanzamt zur Wiederaufnahme des Verfahrens und zur Erlassung eines geänderten Bescheides berechtigt.
- Abgabenhinterziehung des Steuerberaters, der Steuererklärung für Klienten nicht einreicht
Wenn sich der Steuerberater gegenüber dem Klienten verpflichtet, für ihn die Steuererklärung abzugeben, kann beim Steuerberater eine Abgabenhinterziehung vorliegen, sollte er vorsätzlich die Steuererklärung nicht in der gesetzlichen Frist beim Finanzamt einreichen. Im vom VwGH entschiedenen Fall wendete der Steuerberater ein, er habe die Steuererklärung nicht einbringen können, weil ihm der Klient die erforderlichen Buchhaltungsunterlagen nicht übergeben hat. Der VwGH sprach aus, die Abgabenhinterziehung des Steuerberaters durch Unterbleiben der Einreichung der Steuererklärung hat zur Voraussetzung, dass der Steuerberater seine Pflicht überhaupt erfüllen kann. Das ist aber nur der Fall, wenn er vom Klienten die erforderlichen Unterlagen erhalten kann. (Hinweis: verweigert ein Klient vorsätzlich die Vorlage der Unterlagen, kann bei diesem eine Abgabenhinterziehung vorliegen.)
- Verlängerter Anspruch auf Urlaubsersatzleistung bei fehlender Aufforderung zum Verbrauch
Demnach verjährt der Urlaub nicht, sollte es der Arbeitgeber verabsäumt haben, den Arbeitnehmer zum Verbrauch seines Urlaubsanspruchs aufgefordert bzw auf die drohende Verjährung dieses Anspruchs hingewiesen zu haben. Insofern folgt der OGH in seiner Entscheidung der vom EuGH vertretenen Linie.
Stand: 1.9.2023